Fakultät für Biologie

Die Fakultät für Biologie gliedert sich in drei Institute.

Zum Botanischen Institut gehören die Lehrstühle Allgemeine Botanik und Pflanzenphysiologie, Physiologische Ökologie der Pflanzen sowie Spezielle Botanik/Mykologie mit dem Botanischen Garten. Das Biologische Institut umfaßt die Lehrstühle Biokybernetik, Biomathematik, Allgemeine Genetik, Entwicklungsgenetik, Populationsgenetik, Mikrobielle Genetik und die mikrobiologischen Lehrstühle Biotechnologie und Membranphysiologie. Zum Zoologischen Institut zusammengeschlossen sind der Lehrstuhl Spezielle Zoologie mit der Zoologischen Schausammlung und einer Außenstation am Federsee sowie der Abteilung Zellbiologie, der Lehrstuhl Entwicklungsphysiologie sowie der Lehrstuhl Tierphysiologie mit den Abteilungen Neuropharmakologie, Physiologische Ökologie und Verhaltensphysiologie. Mit Ausnahme der Abteilungen Verhaltensphysiologie und Neuropharmakologie, der Zoologischen Schausammlung, des Lehrstuhls Entwicklungsgenetik, sowie des größeren Teils der Mikrobiellen Genetik sind diese Einrichtungen auf der Morgenstelle untergebracht. Dort befindet sich auch die Fakultätsbibliothek. Seit dem Wintersemester 91/92 ist in der Fakultät eine interdisziplinäre C4-Professur für Ethik in den Biowissenschaften angesiedelt.

An der Universität ist die Einrichtung eines interfakultären Zellbiologischen Instituts vorgesehen. An diesem Institut wird ein Lehrstuhl für Molekularbiologie (Fakultät für Biologie) und ein Lehrstuhl für Immunologie (Medizinische Fakultät) etabliert.

Die Fakultät für Biologie ist mit den Tübinger Max-Planck-Instituten (Biologie, Biologische Kybernetik, Entwicklungsbiologie und Friedrich-Miescher-Laboratorium) sowie der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere durch gemeinsame Lehrveranstaltungen und Forschungsvorhaben eng verbunden. Auch bestehen intensive fachliche Beziehungen zu den Fakultäten für Chemie und Pharmazie, Physik, Informatik zur Mathematischen Fakultät, zur Geowissenschaftlichen Fakultät und zur Medizinischen Fakultät. Daraus ergibt sich in Tübingen insgesamt ein anregendes wissenschaftliches Umfeld, das zahlreiche auswärtige Forscher, aber auch interessierte Studenten, Diplomanden und Doktoranden anzieht.

BOTANISCHES INSTITUT

Die Pflanzenphysiologie hat in Tübingen eine lange Tradition. Sie beschäftigt sich unter anderem mit der Aufklärung der Wirkungsmechanismen pflanzlicher Wachstumsregulatoren und Phytohormone, mit der Untersuchung von Ionen-Transportmechanismen an Membranen der Zelle (unter anderem auch an denen der Mykorrhiza), ferner mit der Aufklärung lichtgesteuerter Signalketten, welche in pflanzlichen Zellen bei der Veränderung von Wachstum und Entwicklung eine Rolle spielen. Die Kontrolle und Regulation dieser Mechanismen durch zelleigene und äußere Faktoren, aber auch ihre Beeinflussung durch toxische (Umwelt-)Verbindungen werden untersucht.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Aufklärung von Struktur, Wirkungsmechanismus und der biologischen Bedeutung von Naturstoffen aus Höheren Pflanzen, wobei besonders Substanzen mit antibiotischen und insektiziden Wirkungen im Mittelpunkt stehen. Ferner werden Untersuchungen über die Biosynthese und Enzymatik von Naturstoffen in Zellkulturen und die enzymatischen Grundlagen für die Zellwandsynthese durchgeführt. Weitere Themen sind die Untersuchung von symbiontischen Zellorganellen (Blaualgen) innerhalb von Pflanzenzellen.

Die Forschungsprojekte des Lehrstuhle für Physiologische Ökologie der Pflanzen haben Fragen der Baumphysiologie zum Gegenstand. Im Vordergrund steht dabei der Versuch einer ganzheitlichen Betrachtungsweise biochemischer Vorgänge vor allem unter dem Aspekt der Photoassimilatverteilung, Gaswechselmessungen an Blattorganen werden korreliert mit biochemischen Regulationsvorgängen im Kohlenhydrat- und Energiestoffwechsel. Im Wurzelbereich liegt, eingebettet in das Graduiertenkolleg "Organismische Interaktionen", der Schwerpunkt auf der Charakterisierung der biochemischen Wechselwirkung zwischen den Partnern der Pilz-Baumwurzel-Symbiose (Ektomykorrhiza). Mittels hochsensitiver Analyse und molekularbiologischen Methoden wird hier die symbiosebedingte Vernetzung des Protein-, Kohlenhydrat- und Aminosäure-Stoffwechsels untersucht. Stammanalysen runden das Konzept ab. Hier sind besonders Vorgänge der Assimilatverlagerung und der Differenzierung von Interesse. Die Projekte konzentrieren sich daher auf die biochemische und molekulare Analyse von Vorgängen im Bereich des Kambiums und des Splint-Kernholz-Überganges. In allen Projekten werden in vitro- und Kammer-Experimente flankiert durch Freilanduntersuchungen zum Einfluß von Standortfaktoren (Mineral-/Stickstoff-Versorgung; Schadstoffe) auf die jeweiligen Parameter. Untersuchungen rhythmischer Vorgänge bei Pflanzen und Tieren werden in der Arbeitsgruppe Chronologie durchgeführt.

Am Lehrstuhl Spezielle Botanik/Mykologie sind Forschungs- und Lehrprojekte verankert, die sich vergleichend mit organismischer Diversität und Interaktionen beschäftigen. Entsprechend zählt auch die Vermittlung der Pflanzenkenntnis, sowie die Systematik der Niederen und Höheren Pflanzen und Pilze zum einschlägigen Aufgabenbereich. Die organismische Kenntnis wird vorrangig zur Untersuchung funktionaler Zusammenhänge in Waldökosystemen, zur Klärung zellulärer Interaktionen zwischen Pilzen und Pflanzen und zur Bearbeitung systematischer Fragestellungen eingesetzt. Unter dem Überbegriff "Organismische Interaktionen in Waldökosystemen" sind Freiland- und Laboruntersuchungen zur Struktur und Funktion von Pilz-Baumwurzel-Symbiosen (Mykorrhizen), von Parasiten (Rot- und Weißfäuleerregern), wie auch von lange "verborgen im Inneren" der Bäume lebenden Endophyten zusammengefaßt. Diese Arbeiten sind langfristig konzipiert und mit Projekten des Forstes koordiniert. So werden drei kürzlich zu Bannwäldern ausgewiesene Sturmwurfflächen im Bereich der Forstdirektion Tübingen pilzökologisch als interdisziplinäre Projekte angewandter Ökologie untersucht.

Die Diversität tropischer Pilze wird in drei koordinierten Vorhaben in Costa Rica studiert. Ein entsprechendes Programm hat sich aus einer Kooperation mit der Chung-Hsing-Universität in Taichung, Taiwan, entwickelt. Die Systematik der Basidiomyceten ist seit Jahren das zentrale Forschungsgebiet des Lehrstuhls. Besonders die Hauptparasitengruppen der Rost- und Brandpilze, diverser Verwandter, aber auch Hefen der Basidiomyceten und "Höhere Pilze" werden weltweit und vergleichend morphologisch, ultrastrukturell sowie chemotaxonomisch untersucht. Die Feinstrukturuntersuchungen für systematische Fragestellungen und zur Thematik der "Organismischen Interaktionen" werden auch weiterhin zu den wichtigsten Forschungsthemen zählen. Ein weiterer Forschungsaspekt in der Speziellen Botanik sind karyosystematische Untersuchungen an Höheren Pflanzen z. B. an Wildhafern, Iris- und Rauhblattgewächsen.

Gemeinsame Projekte

Die Tübinger botanischen Lehrstühle haben bereits im Schwerpunkt "Pilz-Baumwurzel-Symbiose" des Landesforschungsförderungsprogramm erreicht, daß in der hiesigen Botanik ein Zentrum der Waldschadensforschung entstanden ist. Schwerpunkte der Umweltforschung sind insbesondere Untersuchungen zur Funktion und Vitalität von Waldbäumen in Abhängigkeit von der Veränderung abiotischer Faktoren, wie Luftqualität, Bodenversauerung und Stickstoffeintrag, sowie organismischer Interaktionen, die sich durch Symbiosen positiv oder durch Parasitismus schädigend auswirken.

Zwischen den drei Lehrstühlen "Allgemeine Botanik und Pflanzenphysiologie", "Spezielle Botanik/Mykologie" und "Physiologische Ökologie der Pflanzen" besteht eine intensive Zusammenarbeit in verschiedenen Projekten, die sich mit umweltrelevanten Fragen in Waldökosystemen befassen. Diese Projekte sind weitgehend drittmittelfinanziert durch DFG, BMFT, PEF und EG sowie durch Mittel von Ministerien der Landesregierung unterstützt. Am Lehrstuhl "Allgemeine Botanik und Pflanzenphysiologie" werden besonders Untersuchungen auf zellulärer Ebene durchgeführt. Unter dem Aspekt "Organismus/Umwelt" kommt neben der Pigmentanalytik besonders membranphysiologischen und hormonellen Fragestellungen eine wichtige Funktion zu. Eine zentrale Aufgabenstellung für den Lehrstuhl "Physiologische Ökologie der Pflanzen" ist in der Erforschung der physiologisch-biochemischen Umsetzung von Außenfaktoren (z. B. Klima, Nähr- und Schadstoffe) durch den Stoffwechsel von Pflanzen zu sehen. Dem Lehrstuhl "Spezielle Botanik/Mykologie" kommen die Untersuchungen auf der Organismenebene und der Feldökologie zu. Die Feinstrukturuntersuchungen zur Thematik der "Organismischen Interaktionen" besitzen hierbei einen besonderen Stellenwert.

BIOLOGISCHES INSTITUT

In der Biokybernetik wird an verschiedenen wirbellosen Tieren (Käfer, Schmetterlinge, Wasserwanzen, Krebse) untersucht, wie sich Organismen in ihrer Umwelt orientieren. In Experimenten, in welchen eine vereinfachte und reproduzierbare Umwelt dargeboten wird, und mit Hilfe automatischer Datenerfassung und Auswertung gelangt man zu Aussagen über die neuronalen Mechanismen des Verhaltens.

In der Biomathematik werden mathematische Modelle für biologische Vorgänge entwickelt. Neben Arbeiten über Diffussion in Netzwerken und Nervennetzen, Parameteridentifikation, Theoretische Populationsgenetik, Dynamische Systeme sind besonders Arbeiten zur nichtlinearen Demographie und zur Modellierung der Ausbreitung sexuell übertragener Krankheiten sowie allgemein die Untersuchung strukturierter Populationen zu nennen. Es werden die für viele Gebiete der Naturwissenschaften wichtigen nichtlinearen Reaktions-Diffusionsgleichungen erforscht. Ein weiterer Schwerpunkt besteht im Bereich der Simulation und der rechnergesteuerten Methoden.

Die Allgemeine Genetik befaßt sich in ihrer Forschung mit der genetischen und molekularen Analyse, der Regulation und der Genexpression bei Pflanzen. Es handelt sich dabei zum einen um die Hitzestreßantwort, die zur Ausprägung von Thermotoleranz führt und die u. a. mittels geeigneter gentechnischer Ansätze in transgenen Tabak- und Arabidopsispflanzen untersucht wird, zum anderen um die Cytokinin (Pflanzenwuchsstoff)-Wirkkette und um oxidativen Streß und Seneszenzerscheinungen. Die Genomorganisation und Transkription wird auch am Beispiel ribosomaler RNA Gene bei verschiedenen Pflanzenspezies untersucht. Diese und andere repetitive DNA (Satelliten DNA) werden zur Identifizierung von Arten und Sorten von Kulturpflanzen (Echinacea, Solanum) und Fusionshybriden benutzt.

Der Lehrstuhl ist im Rahmen von ESSA (European Scientists Sequencing Arabidopsis) an einem pflanzlichen Genomprojekt beteiligt und im Rahmen von PTP (Project of Technical Priority) an einem Europäischen Gemeinschaftsprojekt zur Streßforschung bei Pflanzen.

In der Populationsgenetik wird am Beispiel von Taufliegen-Arten der Drosophila obscura-Gruppe und der Drosophila virilis-Gruppe sowie von Arten der Gattung Dolichopoda (Höhlenschrecken) die molekulare Struktur sowie die Evolution hochrepetitiver Satelliten-DNAs untersucht. Die nichtcodierten Spacer mittelrepetitiver Histongene und der 5S-rDNA sind ebenfalls Gegenstand intensiver Untersuchungen. Die Ergebnisse werden in Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgruppen für taxonomische und phylogenetische Fragestellungen Anwendung finden. Ein ganz anderes Projekt befaßt sich mit der Geschichte der Populationsgenetik, wobei der Arzt und Humangenetiker Wilhelm Weinberg im Mittelpunkt der Betrachtung steht.

Am neu eingerichteten Lehrstuhl Entwicklungsgenetik werden verschiedene Aspekte der Entwicklung Höherer Pflanzen am Modell Arabidopsis thaliana (Acker-Schmalwand) aus der Familie der Brassicaceae mit genetischen, molekular-, zell- und entwicklungsbiologischen Methoden untersucht. Die Forschungen sind eingebunden in ein Schwerpunktprogramm "Arabidopsis als Modell zur genetischen Analyse pflanzlicher Entwicklung" der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Thematisch gliedern sich die Arbeiten in drei größere Bereiche: Musterbildung im Embryo, Entstehung und Organisation des Sproßmeristems sowie Zellmorphogenese (Trichome, Pollenschlauch). Ein Teilaspekt der Musterbildung im Embryo wird als Zusammenarbeit im Rahmen des Technologie-Programms der EG untersucht.

Die Mikrobiologie ist mit drei Lehrstühlen in einer thematischen Breite und methodischen Vielfalt wie sonst an keiner deutschen Universität vertreten. Die drei Lehrstühle bilden den Kern des Sonderforschungsbereichs 323 "Mikrobiologische Grundlagen der Biotechnologie".

Die Mikrobielle Genetik stellt ein Bindeglied zwischen Mikrobiologie und Genetik dar. Schwerpunktmäßig werden folgende Themen bearbeitet: Die Optimierung des Klonierungssystems bei der Bakterienart Staphylococcus carnosus; die Biosynthese von Peptidantibiotika, (Epidermin und Gallidermin) und Nukleosidantibiotika (Nikkomycin) bei Staphylokokken bzw. Streptomyceten; die genetischen und biochemischen Grundlagen der Biofilmbildung an Implantaten durch Staphylococcus epidermidis; die Erarbeitung von Grundlagen der Proteinsekretion und Proteinverankerung bei Staphylokokken, und die Nitrat-/Nitritverwertung bei diesen Organismen. Neben reiner Grundlagenforschung dient ein Teil der Forschungsaktivitäten dazu, die gesundheitlich unbedenkliche Art Staphylococcus carnosus für die biotechnologische Herstellung pharmazeutisch wichtiger Hormone oder Enzyme einzusetzen.

Die Mikrobiologie/Biotechnologie untersucht einerseits den mikrobiellen Sekundärstoffwechsel mit dem Ziel, seine Vielfalt und Bedeutung zu erfassen und die Produkte auf ihre biologische Aktivität und Anwendung in der Pharmazie und dem Pflanzenschutz zu prüfen. Andererseits wird die Biosynthese von Sekundärmetaboliten und Exoenzymen mit molekularbiologischen Methoden analysiert. Zum besseren Verständnis der Mikrobenökologie werden Mechanismen des Genaustausches und der Rekombination bei grampositiven Bodenbakterien, vor allem Aktinomyceten, studiert. Schließlich wird der Transport und die Speicherung von Eisen in Pilzen und Bakterien sowie die Funktionen von Hopanoiden im Vergleich zu Steroiden bearbeitet.

Die Mikrobiologie/Membranphysiologie studiert die molekularen Mechanismen Rezeptor-abhängiger Aufnahmesysteme für Eisen und toxische Proteine, die Synthese, Wirkungsweise und den Export von Toxinen, sowie die Rolle der Eisenversorgung für die Virulenz Gram-negativer Bakterien.

In dem 1986 eingerichteten Sonderforschungsbereich 323 (Mikrobiologische Grundlagen der Biotechnologie) fanden sich Arbeitsgruppen aus der Mikrobiologie/Biotechnologie, Mikrobiologie/Membranphysiologie der Mikrobiellen Genetik, der Biochemie, der Organischen Chemie, der Pharmazeutischen Chemie und der Infektionsbiologie der Universität Tübingen zusammen. Diese Gruppen verfolgen das gemeinsame Ziel, die enormen biosynthetischen Fähigkeiten der Mikroorganismen zu nutzen, um neuartige biologisch aktive Naturstoffe zu gewinnen. Mit neu entwickelten Testsystemen werden Produzenten unbekannter Substanzen gesucht, die Zellen unter kontrollierten Bedingungen fermentiert, die Produkte isoliert, ihre Struktur aufgeklärt und ihre Wirkungsweise und Biosynthese untersucht. Dabei handelt es sich um hoch- und niedermolekulare Produkte. Schwerpunkte der Forschung sind Antibiotika, und hier vor allem Nikkomycine, Lantibiotika, Eisenkomplexverbindungen und ihr Transport, die Sekretion von Proteinen aus Gram-positiven und Gram-negativen Bakterien, die Reizverarbeitung von Paramecien, Naturstoffanalytik und -synthese. Als Testsystem für die Untersuchung der Wirkungsweisen dienen Zellen (Bakterien, Pilze, neuronale Zellinien und Paramecien), Rezeptoren, Ionenkanäle und Enzyme. In diesem Zusammenhang stehen auch Untersuchungen zu den spezifischen Wechselwirkungen zwischen Pro- und Eukaryonten (Adhäsion, Invasion, Toxinwirkung).

Der Sonderforschungsbereich 323 wurde 1994 mit 2 738 300 DM gefördert.

ZOOLOGISCHES INSTITUT

Die Spezielle Zoologie befaßt sich vorwiegend mit der vergleichenden und funktionellen Morphologie sowie der phylogenetischen Systematik ausgewählter Tiergruppen. Dabei wird der ontogenetischen Entwicklung besondere Beachtung geschenkt. Wie bisher bildet das Studium von Protisten einen Schwerpunkt der Untersuchungen; seit 1987 werden auch mehrere Wirbeltiergruppen bearbeitet. Die konstruktionsmorphologischen Untersuchungen zur Ontogenese des Wirbeltier-Schädels sind z. T. in den SFB 230 Natürliche Konstruktionen Leichtbau in Architektur und Natur eingebunden. Weitere Arbeitsgebiete sind die Morphologie und Systematik der Arthropoden und Mollusken. Die faunistisch-ökologischen Untersuchungen im Naturschutzgebiet Federsee wurden in erweitertem Umfang (mit Unterstützung des Ministeriums für Umwelt und des Ministeriums für Landwirtschaft und Forsten) fortgesetzt.

Die Zellbiologie untersucht bei tierischen Einzellern (Ciliaten) die Organisation des Genoms sowie die Struktur und Steuerung verschiedener Gene (z. B. für Tubulin, Calmodulin). Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Analyse der Verwandtschaftsverhältnisse von Ciliaten und von niederen Vielzellern an Hand unterschiedlicher molekularer Merkmale (z. B. DNA-Sequenzanalyse).

In der Entwicklungsphysiologie werden Probleme der Fortpflanzung und Entwicklung bei Insekten, vor allem bei Bienen, untersucht. Analysiert wird beispielsweise die Wirkung von Hormonen und Neuropeptiden bei Kastenspezifischen Prozessen wie der Morphogenese, der Regulation von Organfunktionen und der Fertilitätskontrolle. Die Zusammensetzung von Pheromonen und ihre Funktionen bei der Paarung und der Königinnen-Dominanz in Kolonien sozialer Bienen sind chemisch-ökologische Aspekte, die auch bei Untersuchungen der Parasit-Wirt-Beziehung in der Varroatose von Honigbienen sowie bei Kuckucksbienen verfolgt werden. Mit molekularbiologischen Ansätzen wird über die Struktur des Honigbienen-Vitellogenins und die Kasten- und Geschlechts-spezifische Vitellogenin-Synthese gearbeitet.

Das Interesse der Tierphysiologie gilt der Aufklärung der neuralen Mechanismen des Verhaltens von Wirbeltieren an den Beispielen der Echoortung von Fledermäusen, der akustisch auslösbaren Verhaltensreaktionen von Ratten, des Jagd- und Freßverhalten von Frettchen, der Tagesperiodik von Affen und der Schreckreaktion von Fischen.

Die Neuropharmakologie arbeitet verhaltenspharmakologisch und neurochemisch an der Ratte. Es wird untersucht, in welcher Weise Überträgersubstanzen des Gehirns an der Steuerung von Verhalten beteiligt sind. Damit soll ein Beitrag zum Verständnis und zur Therapie von Erkrankungen des menschlichen Gehirns geleistet werden.

In der Abteilung Physiologische Ökologie werden Auswirkungen von Umweltchemikalien auf Nicht-Zielorganismen untersucht. Der Schwerpunkt liegt auf der Validierung von Biotests zur Bewertung der Belastung kleiner Fließgewässer (Ökotoxikologie). Hierzu werden u. a. ultrastrukturelle Biomarker an Monitororganen sowie Verhaltens- und physiologische Parameter verwendet. Weitere Projekte befassen sich mit Fragen des Arten- und Biotopschutzes. Hier liegen Schwerpunkte im Bereich des Fledermausschutzes und der Wirbeltierfauna des Naturpark Schönbuch. Auf dem Gebiet der physiologischen Ökologie werden Anpassungsmechanismen von Säugetieren an extremen Umweltbedingungen erforscht. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen des Energiehaushaltes.

Die Verhaltensphysiologie erforscht das Orientierungs- und Navigations-Verhalten von Vögeln und wandernden Schmetterlingen, z. T. in Nord- und Südamerika, arbeitet an verhaltensökologischen Fragen bei Insekten, Fischen und Vögeln sowie an Lemuren und Tanreks in Madagaskar. In Südbrasilien wurde 1988 die Tübinger Biologische Forschungsstation an der PUC-Universität in Porto Alegre eröffnet. In Zusammenarbeit mit dortigen Arbeitsgruppen werden tropenbiologische Probleme untersucht. Dazu gehören die Reproduktion von Wildbienen, ihre coevolutiven Beziehungen zu Blütenpflanzen, Trachtnutzung und Bestäubung durch Stachellose Bienen im Regenwald, Räuber-Beute-Chemokommunikation bei sozialparasitischen Stachellosen Bienen und tiergeographisch-ökologische Fragen in der Übergangszone der Neotropen in gemäßigte Klimate. Mit der Tübinger Außenstation verfügt erstmals eine deutsche Universität über eigene Labors an einer lateinamerikanischen Universität innerhalb der Tropen. Sie werden für Forschung und Lehre, u. a. für tropenbiologische Exkursionen, intensiv genutzt.

Arbeitsgruppen aus der Tierphysiologie, der Verhaltensphysiologie, der Neuropharmakologie und der Biokybernetik bilden einen wesentlichen Bestandteil des flächenübergreifenden Sonderforschungsbereichs 307 "Neurobiologische Aspekte des Verhaltens und seiner pathologischen Abweichungen". Der SFB verfolgt das Ziel, durch Zusammenarbeit von Gruppen aus der Neurobiologie, Psychiatrie, Psychologie, Biologie und aus dem Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik, die Prinzipien der neuralen Organisation von Verhalten bei gesunden und kranken Menschen sowie bei Tieren zu erforschen. Je nach Thematik stehen verhaltensphysiologische, psychologische, neurophysiologische, neuroanatomische, pharmakologische oder systemtheoretische Methoden im Vordergrund.

Die C4-Professur Ethik in den Biowissenschaften ist momentan vakant, wird aber in absehbarer Zeit wiederbesetzt werden.

Die verstärkte Anwendung molekularbiologischer Arbeitstechniken in der Biologie hat in den letzten Jahren eine Kostenexplosion verursacht. Die Forschung mußte deshalb in ständig steigendem Maße durch Drittmittel getragen werden. Manche Projekte werden zu 90% aus Drittmitteln finanziert. In vielen Bereichen wäre eine ordnungsgemäße Lehre ohne Drittmittel nicht möglich. 1994 standen der Fakultät 6 912 220 DM an Drittmitteln zur Verfügung. Die Summe der neubewilligten Drittmittel belief sich 1994 auf 18 030 000 DM. Die Fakultät nimmt damit die Spitzenposition bei den Neubewilligungen an der Universität ein. Es zeichnet sich ab, daß aufgrund des Nachholbedarfs in den neuen Bundesländern mit einem Rückgang dieser Mittel gerechnet werden muß. Die Lücken im regulären Etat werden dann sichtbar werden.

Ein nach wie vor gravierendes Problem ist der Ersatz veralteter oder abgenutzter Geräte. Durch den starken Technologieschub in der Meß- und Analysentechnik und durch veränderte Fragestellungen in der Forschung sind ältere Geräte oft nicht mehr einsetzbar. Die dringend erforderliche Ersatzbeschaffung kann aus dem regulären Etat nicht geleistet werden. Eine unzureichende Grundausstattung macht die Beschaffung weiterer Drittmittel oftmals unmöglich.

Der Trend zu mehr internationaler Verbundforschung in immer größeren Komplexen, vor allem innerhalb der EG, setzt sich fort. Das geringe Volumen der Mittel für Reisebeihilfen erschwert die dazu erforderlichen Kontakte. Auch die schlechte räumliche Situation der Fakultät behindert die Forschung. Die vermehrte Bürokratisierung in den letzten Jahren wirkt sich ebenfalls negativ auf die Forschungsaktivitäten aus.

Für die biotechnologisch ausgerichteten Arbeitsgruppen und die Tierhaltung müssen bessere Bedingungen geschaffen werden. Die Unterbringung der Verhaltensphysiologie, Neuropharmakologie, Mikrobiellen Genetik und Entwicklungsgenetik im Bereich der Morgenstelle kann nicht länger aufgeschoben werden. Weitere Laborflächen sind dringend notwendig, um der sich weltweit abzeichnenden Expansion der Biologie Rechnung zu tragen. Die Etablierung neuer Forschungsgebiete muß ermöglicht werden.

Mitglieder der Fakultät wurden mit angesehenen Preisen ausgezeichnet. Herr Prof. Dr. Volkmar Braun, LS Mikrobiologie/Membranphysiologie, erhielt 1994 zusammen mit Manuel Elkin Palaroyo Muvillo, Kolumbien, den Robert-Koch-Preis.

Den Leibniz-Preis teilten sich 1994 der Psychologe Prof. Dr. Niels Bierbaumer und Herr Prof. Dr. Gerd Jürgens, LS Entwicklungsgenetik.

Die Fakultät hat im WS 1994/95 1389 eingeschriebene Studenten (ohne Doktoranden), davon studieren 1046 im Diplom-Studiengang. Um den vielen Diplombiologen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt einzuräumen, bedarf es einer anspruchsvollen Ausbildung. Die Vermittlung molekularbiologischer Arbeitstechniken sowie der Einsatz moderner Geräte in der Lehre sind unerläßlich. Verursacht durch die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt streben außerdem immer mehr Absolventen die Promotion an. Die Zahl der Promotionen ist seit 1987 von 50 pro Jahr auf 92 im Studienjahr 1993/94 angestiegen. Durch die Einrichtung der Graduiertenkollegs "Neurobiologie", "Mikrobiologie" und "Organismische Interaktionen in Waldökosystemen" konnte die schlechte Situation bei der Promotionsförderung verbessert werden und den Doktoranden während der Promotionsphase eine zusätzliche, fachspezifische Ausbildung angeboten werden.

Im Berichtszeitraum wurden von Mitgliedern der Fakultät folgende Kongresse und Symposien organisiert:

The VIth International Colloquium on Endocytobiology and Symbiosis: Intertaxonic Combination Adaption. 6. 10. 9. 1995. Organisator: Prof. Dr. H. Schenk.

DFG-Workshop "Musterbildung bei Arabidopsis", Tübingen, 20. 21. 10. 1994. Organisator: Prof. Dr. G. Jürgens.

Tagungen des DFG-Schwerpunkts "Arabidopsis als Modell", Breisach, 28. 30. 10. 1993 und Bad Honnef, 9. 10. 5. 1995. Organisatoren: Prof. Dr. G. Jürgens und Dr. J. Dangl, MDL, Köln.

HCM-Workshop: Catabolite repression in gram-positive bacteria and the role of factors such as CcpA glucokinase or PTS; Tübingen 16. 18. 6. 1995. Organisator: Prof. Dr. F. Götz.

EC-Workshop: Catabolite repression in gram-positive bacteria; Oberjoch 21. 23. 1. 1994. Organisator: Prof. Dr. F. Götz.

15. Tübinger Gespräche zur Chemie von Mikroorganismen, Tübingen 7. 8. 10. 1993. Organisator: Priv. Doz. Dr. H.-P. Fiedler.

International Conference on Microbial Secondary Metabolism, Interlaken, Schweiz, 5. 8. 10. 1994. Organisator: Priv. Doz. Dr. H.-P. Fiedler.

International Symposium "Vectorial traffic across bacterial membranes. 1. Import, export and sorting. 2. Protein and peptide channels. 20. 30. 3. 1995. Universität Tübingen. Organisator: Prof. Dr. V. Braun.

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qvf-info@uni-tuebingen.de(qvf-info@uni-tuebingen.de) - Stand: 30.11.96
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